Montag, Oktober 25, 2004

Moving on...

...Kerneuropa ist thematisch ausgereizt. Schaut docheinmal bei meinem neuen Projekt zur täglichen Aufarbeitung des Alltags vorbei: "Die letzten Tage von Hannover"

Ich würde mich freuen!

Dienstag, September 28, 2004

Ein Loch ist im Eimer

Der Sturm spuckte über die aufgewühlte See und stellte die Wellen senkrecht. Auf dem Meer der Kürzungen und des Sozialabbaus schwappte das Wasser wütend hin und her. In mitten des brausenden Volkszorns schickte sich ein Schiff an, all jene aufzusammeln, die Schiffbruch erlitten hatten, die betroffen sind oder sich für betroffen hielten oder einfach lange kein NGO-Land mehr gesehen hatten. Die Arche mit dem singenden Namen „Wahlalternative“ trohnte auf den Wogen der Aufmerksamkeit und sonnte sich im Lichte der Hoffnung von zehntausenden im Osten und immerhin einiger hundert im Westen. Kalfatert war der Rumpf mit Hartz IV einem Mehrkomponenten-Leim aus Wolfsburg. Das musste reichen. Denn Pech und Teer der linken Bewegung sind längst aus; es fehlte die einigende Kraft der anderen Idee.

Das Schiff hatte viele Steuermänner, wenige Frauen, ein paar Lotsen und wohl einige blinde Passagiere, denen nach völliger Kürzung ihrer Bezüge keine Wahl blieb. Das Oskar Lafontaine direkt aus Leipzig auf die eigene Sendung ging, ist das eine. Das die parteipolitischen Schlepper, die sich der Arche bemächtigen wollten längst ausgelaufen waren, das andere. Da wundert es niemanden, dass in der PDS die Flügel in heller Aufregung sind. Sieben Prozent wollen bundesweit PDS wählen. Allerdings nur, wenn am Sonntag Wahl ist. Der Wahlalternative trauen die Parteienforscher sogar 20 zu. Es rauscht im Wald der Demoskopen, die ihre Stämme bald hierhin und bald dorthin neigen; der PDS sagten sie einst auch ein Potential jenseits der 20 Prozent voraus. Was also tun? Rauf aufs Schiff? Rette sich wer kann? Sollen die doch kommen; die werden schon sehen? Nein, her mit dem Steuer, wir machen das! Wahrscheinlich werden diese Fragen noch die innerparteiliche Debatte prägen, wenn das Schiff längst zerschellt und abgesoffen ist. Das kollektive Gedächtnis der BRD ist kurz und klein. Viel hat ohnehin nie reingepasst, und auch Hartz IV wird wohl draussen warten müssen. Diese Montagsdemos haben keinen Staat zum Einsturz gebracht, noch haben sie das Antlitz dieser Republik nachhaltig verändert. Schon am nächsten Montag werden ver.di und attac nicht mehr zu Montagsdemos aufrufen; gestern kamen in Leipzig bescheidene 1500 Menschen zusammen, um gegen die allgemeine Lage zu protestieren. Und dann? Dort wo die PDS-Granden immer mit angeekelten Blick auf die Alternativen gezeigt haben und riefen „Wo sind denn eure Konzepte?“, da gibt die Partei des demoskopischen Sozialismus selbst das Stück „Was ihr wollt!“.


In Brandenburg an der Regierungsbeteiligung vorbei geschrammt, wird man das Gefühl nicht los, dass die PDS auch gar nicht wollte. Nach den Erfahrungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wollte die Parteiführung nur ungern ein weiteres Mal den Beweis antreten, das die PDS in der Regierung kaum durch neue und andere Ideen der Politikgestaltung auffällt. Dort wo sie mitregiert, kämpft sie mit den gleichen Skandalen wie die Großen und mit den gleichen Problemen, wenn es darauf ankommt, Antworten auf die Fragen zu finden, die überall gleich klingen: Was machen angesichts leerer Kassen? Was tun, um das sozialistische Profil zu schärfen? Wie die Verhältnisse ändern?


Diese Fragen einem Funktionär gestellt, sorgen für einen ursozialdemokratischen Reflex bei den Sozialisten; es gebe eben einen Unterschied, wenn die Regierungsverantwortung drückt, in der Praxis sei eben nicht alles so einfach und den Realitäten müsse sich die Partei nun auch stellen. Man sei, so heißt es, in der Verantwortung. Das ist lästig und schon deshalb ist aus einer Koalition in Brandenburg nichts geworden. Schon im Vorfeld hatte die Partei dafür gesorgt, die eigenen Forderungen in solche Höhen zu schrauben, dass kaum ein SPD-Vertreter darüber auch nur Sekunden nachdenken brauchte. Die Rücknahme von Hartz IV auf dem Wege einer Bundesratsinitative zum Beispiel. Eine Forderung ohne die die PDS sich auf keiner Montagsdemo hätte blicken lassen dürfen. Zu Gunsten der Demos also keine Regierungsbeteiligung.

Gut so, möchte man denken, da stellt jemand die Inhalte über die Macht. Wer´s glaubt. Da wird allerhöchstens die Angst über das Ergebnis gestellt. Der Versuch darüber der SPD den schwarzen Peter zuzuschieben ist übrigens gründlich in die Hose gegangen. Und so steht die Partei mit 28 Prozent da und wird sich die nächsten Jahren die Frage gefallen lassen müssen, warum sie es nicht besser gekonnt hat.

Sonntag, August 22, 2004

NEIN!!!!!!!!!!


Edvard Munchs Bild "Der Schrei" ist am heutigen Sonntag Morgen aus dem geöffneten Osloer Munch Museum gestohlen worden.

Die Dreistigkeit überraschte die Sicherheitskräfte und versetzte die Besucher in einen Schockzustand. Das wohl bekannteste Bild der Gegenwart ist zur Zeit spurlos verschwunden.

Samstag, August 21, 2004

Der aktuellste SPIEGEL Titel seit langem!


Montagsdemonstrationen? Irakkrieg? Ein neuer Vogelgrippevirus? War da was? Nein, natürlich nicht. Stattdessen ist es wieder einmal Zeit für einen Hitler Titel! Der Führer sells und wer behauptet, Hitler hätte in Deutschland nie legale Wahlen gewonnen, der sollte sich die Umsatzahlen des Spiegels anschauen. Da ist Montag "Führertag".

All diejenigen, die nach dem Tode von Rudolf Augstein mit einem Rückgang der Hitler Essays und Titel gerechnet hatten, lagen wieder falsch. Erst wenn Hitlers letzte Unterhose im Modeteil rezensiert worden ist werden die Hamburger Redakteure merken, daß der Spiegel nicht das Vierteljahresheft für Zeitgeschichte ist.

Dem Leser bleibt nur die bange Frage: Was kommt erst, wenn Hitler wirklich stirbt?

Donnerstag, August 19, 2004

Jungpolitiker mit Zukunft entdeckt das Internet


Nach jahrelanger technischer Abstinenz hat der hannoveraner Nachwuchs-Salonbolschewist Jan Korte das Internet für sich endeckt. Korte, der bisher durch viel zu langsame Betriebsysteme und eine Vorliebe traditionelle Kommunikationsformen auf sich aufmerksam gemacht hatte, ist nun über seine neue Website JanKorte.de erreichbar.

Der damit verbundenene modernistische Quantensprung wurde im Izarro in Hannover mit Verwunderung, aber auch mit Zustimmung zur Kenntnis genommen. Jans Virtualisierung ist, wie es scheint, bisher ein gelungener westdeutscher Beitrag zu den Montagsdemonstrationen in Leipzig und dem ländlichen Brandenburg.

Mittwoch, August 11, 2004

Wolfgang Mommsen ist tot

Nach einer Meldung des Spiegel ist der bedeutende Historiker Wolfgang Mommsen heute bei einem Badeurlaub auf Usedom ums Leben gekommen:

Der Zeitung zufolge starb Wolfgang Mommsen beim Baden in der Ostsee. Der Unfall habe sich im Seebad Bansin auf der Insel Usedom (Mecklenburg-Vorpommern)ereignet. Der herbeigerufene Notarzt habe nur noch den Tod Mommsens feststellen
können. Als Todesursache gelte Herzinfarkt.Zwillingsbruder Hans Mommsen, ebenfalls ein bedeutender Historiker, hatte am Abend noch keine näheren Informationen. Eine Autopsie gebe es noch nicht.Wolfgang Mommsen gehörte zu den renommiertesten deutschen Geschichtswissenschaftlern. Zu seinen Spezialgebieten gehörte die Weimarer Republik und das Dritte Reich. Er war auch Leiter der Arbeitsstelle der Max-Weber-Gesamtausgabe. Darüber hinaus war er von 1977 bis 1985 Direktor des Deutschen Historischen Instituts in London sowie Gastprofessor an zahlreichen renommierten Hochschulen im In- und Ausland.



Er war einer der guten. Der Disziplin wird er fehlen. Unser Beileid gilt allen Freunden und Angehörigen.

Dienstag, August 10, 2004

Harz 4 (Rechtschreibreformiert)

Wenn in Deutschland Christen zu Demonstrationen aufrufen wird mir automatisch schlecht. Dann wird das Kreuz ausgepackt, Mutti malt ein schlecht gereimtes Plakat und dann marschiert die formierte Betroffenheit brav entlang der angemeldeten Wege. Die westdeutsche urbane Mittelschicht - auf niemand anderen kommt es halt in diesem Land an - wiege dann bewegt den Kopf über der abonnierten bundesweiten Tageszeitung und nimmt noch ein Schluck Café Latte...und denkt an Sylt.

Dies ist das Land, in dem die protestierenden Arbeitslosen 1998 stolz darauf waren, daß sie die Arbeitsämter mit Plakaten zugeklebt hatten, die man Dank eines neuen Klebers streifenfrei entfernen konnte. Proteste im Meister Proper Land - dann lieber ein Gläschen Essigreiniger.

Die politische Publizistik - schlecht ausgebildet wie in keinem anderen Land - taumelt zur Zeit von einer redaktionellen Katastrophe zur anderen. Gerade noch hat sie sich zu einer alternative Öffentlichkeit aufgeschwungen, als Sachverwalter des "Reformdrucks". Andererseits gibt es aller Orten die feuchten Träume von der Bürgergesellschaft. Jetzt bauen Zeitleser Barrikaden. Ein Traum für's Feuilleton. So wird es denn wohl auch mit den jetzigen Protesten enden: Sie werden als kuschelige Gemeinschaftserfahrung verbucht, ein Kirchentag für Arme. Als Abendmahl gibt's Dosenbier.

Ich frage mich immer, ob man sich etwas von Journalisten über Wirtschaftspolitik sagen lassen muß, die allesamt für bankrotte Verlage arbeiten. Alle Großzeitungen haben entlassen und standen am Rande des Konkurses. Die SZ verkauft ihren Stammsitz, die FAZ entließ. Die gleichen Akteure, die mit dem neuen Markt schon so völlig daneben lagen, versuchen jetzt ihr publizistisches Glück am deutschen Sozialstaat. Unter dem Trommelfeuer der Sachzwangsapologeten ist der politische Diskurs auf einen Minimalmainstream zusammengeschrumpft.

Erinnert sich noch jemand, daß die deutsche Börse mit der britischen Fusionieren wollte und nur der neue Markt in Frankfurt bleiben sollte? Alle feierten es, jetzt gibt es den neuen Markt nicht mehr. Aber egal, es wird schon richtig sein, wenn es mehr als 500 Wörter hat.

Es bleibt uns nur die Hoffnung, daß Florida Rolf auf seinem juristischen Rachefeldzug gegen die Gesellschaft, die so gern seinen Tod gesehen hätte, weiterhin jeden Prozeß gewinnt. Wo waren eigentlich die Montagsdemonstranten, als den Hilfebedürftigen in den Knästen in Übersee die Hilfe gestrichen werden sollte?

Nein, ich möchte, daß der Datschenpreis fällt und daß alle Kirchen zu "MyGeizig"'s werden. Wenn dann noch Bischof Krenn Papst wird, sieht die Welt endlich so aus, wie sie ist.